Die Mütter- und Väterberaterinnen in Zeiten der Coronakrise - ein Interview

23.04.2020

Aufgrund der aktuellen Coronavirus-Situation musste die Mütter- und Väterberatung der Spitex Birseck ihr Angebot auf ein Minimum reduzieren. Durch den Entscheid der BAG werden die Massnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus schrittweise wieder gelockert, unter der Voraussetzung, dass gewisse Richtlinien eingehalten werden. Auch die Mütter- und Väterberaterinnen sind wieder auf dem Weg zur "neuen Normalität", indem sie ab dem 27.04.2020, unter Einhaltung strikter Hygiene- und Schutzmassnahmen, terminierte Einzelberatungen durchführen.

 

Wie erlebt ihr die Mütter- und Väterberatung in Zeiten der Coronakrise?

Nicole Wellauer: Die Corona-Krise hat auch uns Mitarbeiterinnen der Mütter- und Väterberatung stark getroffen. Gruppenberatungen, Notfallkurse und persönliche Einzelberatungen mussten bis auf weiteres auf Eis gelegt werden. Die Eltern, die uns bereits kennen, suchen regelmässig den telefonischen Kontakt zu uns. Neue Eltern sind eher schwierig zu erreichen. Dies zeigt die Wichtigkeit des persönlichen Austauschs der Familienzentren, insbesondere bei Eltern, die die Mütter- und Väterberatung für sich neu entdeckt haben.

Welche Massnahmen mussten in der Mütter- und Väterberatung vorgenommen werden?

Andrea Weiss: Mit den Einzelberatungen werden wir ab dem 27. April wieder starten können. Allerdings nur unter strengen Schutzmassnahmen. Das Tragen der Schutzmaske ist während der Beratungen Voraussetzung. Ausserdem muss die Abstandregelung von 2 Metern strikt einhalten werden. Weiterhin findet keine Beratungen im Spitex-Zentrum in Münchenstein statt. Lediglich die Familienzentren in Münchenstein und Arlesheim dürfen für Einzelberatungen mit Termin wieder ihre Türen öffnen. Des Weiteren müssen zwischen den einzelnen Beratungen Reinigungsarbeiten vorgenommen werden. Auch der persönliche Kontakt vor Ort zwischen den Familien, der bisher von den Eltern sehr geschätzte wurde, muss nun bedauerlicher Weise vermieden werden. Gruppenberatungen vor Ort rücken daher zunächst in weite Ferne. Allerdings planen wir, zukünftig Telefon- und Videokonferenzen durchzuführen und den wichtigen Austausch mit den Familien virtuell zu ermöglichen und weiter aufrecht zu erhalten.

Sind die Anfragen zurückgegangen? Welche wesentlichen Unterschiede zwischen persönlicher und telefonischer Beratung sind zu beobachten?

Nicole Wellauer: Die Anfragen sind enorm zurückgegangen. In den vergangenen fünf Wochen konnten wir ausschliesslich per E–Mail oder per Telefon beraten. Für einige Fragen ist der telefonische Kontakt durchaus ausreichend. Allerdings ist der telefonische oder virtuelle Kontakt nicht im selben Masse durch ein persönliches Gespräch vor Ort zu ersetzen. Vor Ort können wir die Familien mit ihrer Körpersprache, Gestik und ihren Emotionen ganzheitlich wahrnehmen. Dies fällt nun weg. Wir können uns lediglich darauf verlassen, was wir von den Eltern am Telefon oder per Mail erfahren. Beispielsweise ist eine Beurteilung der Kinder bei Hautauschlägen durch Beschreibung und Fotoversand enorm schwierig. Eine Gewichtskontrolle von Neugeborenen kann derzeit gar nicht oder nur in Notfällen durchgeführt werden. Ausserdem ist die Vertrauensbasis eine andere. Im persönlichen vertraulichen Austausch, kommen durchaus hin und wieder hochsensible Themen zur Sprache, wie zum Beispiel häusliche Gewalt und psychisch belastende Situationen.

Welche Unsicherheiten/Ängste/Sorgen beschäftigen die Eltern? Sind diese berechtigt?

Andrea Weiss: Die Ängste und Sorgen der Eltern sind verhältnismässig unverändert. Fragen zum Coronavirus werden eher selten gestellt. Was die Eltern, insbesondere die Mütter, beschäftigt ist die Frage wie es weitergeht, wenn Eltern wieder zurück an ihren Arbeitsort müssen. Dass die Betreuung durch die Grosseltern wegfällt, stellt für die Familien meist ein grosses Problem dar. Einige Eltern sind psychisch und physisch am Anschlag in Bezug auf den Familienalltag. Homeoffice, Kinderbetreuung, Lernhilfe, Haushalt und die fehlende Möglichkeit einer kurzen Auszeit der Eltern oder Abwechslung im Alltag durch Fremdbetreuung ist für einigen Familien sehr belastend. Je nach Wohnungssituation ist es kaum möglich, Abstand von einander zu halten. Gemeinsam mit den Eltern, versuchen wir eine für alle Beteiligten stimmige Lösung zu finden, was sich allerdings aufgrund der prekären Lage als ausserordentlich herausfordernd darstellt. Im gemeinsamen Gespräch geht es darum, mit Verständnis und äusserster Sensibilität herausfinden, was den Eltern in der jeweiligen Situation gut tut und welche Unterstützung im Alltag in Anspruch genommen werden kann. Wir beraten in erzieherischen Fragen und erarbeiten mit den Familien Lösungsansätze, um den Familienalltag in Konfliktsituationen zu entschärfen.

Ist es aus eurer Sicht wichtig, vor allem in Zeiten der Isolation, bei Bedarf eine Beratung aufzusuchen?

Nicole Wellauer: Ja, gerade in Zeiten der Isolation tut es gut, einen Spaziergang nach draussen zu wagen und zu uns in die Beratung zu kommen. Im persönlichen Gespräch können wir gemeinsam herausfinden, was die Familie individuell benötigt, damit sie ihren Alltag gut und zufriedenstellend meistern kann. Es tut gut, einen Ort für vertrauensvolle Gespräche zu kennen. Wir nehmen Ängste, Sorgen und Nöte rund um die Familie ernst, vermitteln Vertrauen und Zuversicht. Wir dürfen es als Wertschätzung unserer Arbeit betrachten, wenn wir sehen, dass Eltern aufatmen, wenn sie merken: ,Da ist jemand, der mich ernst nimmt, mir zuhört, meine Sorgen rund um das Kind wahrnimmt, mich in meinen Fähigkeiten bestärkt und unterstützt.’

Ist bereits absehbar, wie sich der Arbeitsalltag für euch langfristig ändern wird?

Nicole Wellauer: Wie lange der eingeschränkte Arbeitsalltag aufgrund der Coronakrise anhalten wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Wir freuen uns jedenfalls sehr, dass wir nun wieder mit den persönlichen Einzelberatungen starten dürfen. Wir hoffen einige Eltern wieder zu erreichen, die das persönliche Gespräch einem Telefonat vorziehen. Die Beratung der Familien liegt uns auch weiterhin am Herzen. Solange wir unter den veränderten Umständen beraten können, nehmen wir die Schutzmassnahmen gerne in Kauf.

Was ist euer Fazit aus der derzeitigen Krisensituation?

Andrea Weiss: Wir lernen mit neuen Techniken im Bereich der digitalen Kommunikation umzugehen und den Familien mit neuen Beratungsformen mehr Flexibilität zu bieten. Ich freue mich auf die erste Gruppenberatung per Videochat und bin gespannt über den Verlauf und die Rückmeldungen.

Herzlichen Dank an unsere Mütter- und Väterberaterinnen für das eindrückliche Interview. Hier geht es zum Angebot der Mütter- und Väterberatung.

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